Artikel Kiek An! 04/2019 Die betriebsbedingte Kündigung

Will ein Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis ordentlich beenden, so kann er dies grundsätzlich ohne Angabe von Kündigungsgründen. Er muss lediglich die Kündigungsfrist und die Schriftform einhalten. Nur wenn das Arbeitsverhältnis unter den Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) fällt, bedarf die Kündigung einer gerichtlichen nachprüfbaren Begründung. Das KSchG findet dann Anwendung, wenn das betreffende Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestand und der Betrieb mehr als zehn vollzeitig eingestellte Arbeitnehmer ausschließlich der Auszubildenden ständig beschäftigt. Auch geringfügig Beschäftigte zählen zur Anzahl der zu berücksichtigenden Personen, wenn sie regelmäßig beschäftigt sind. Manche große Unternehmen verlagern ihre Mitarbeiter in eine Vielzahl von kleinen neu gegründeten Unternehmen, um jeweils den Anwendungsbereich des KSchG zu unterlaufen. Hier ist es aber denkbar, dass diese Kleinunternehmen einen sogenannten Gemeinschaftsbetrieb bilden, der dann insgesamt mehr als zehn Mitarbeiter hat, sodass das KSchG Anwendung findet. Für das Vorliegen eines solchen Gemeinschaftsbetriebes ist der Arbeitnehmer vollumfänglich darlegungspflichtig, was häufig nicht gelingt. Entscheidendes Kriterium ist das Vorliegen einer sogenannten einheitlichen Leitungsmacht. Daneben sind weitere Merkmale, wie etwa ein gemeinsamer Firmensitz, Austausch von Personal, gemeinschaftliiche Nutzung von
Produktionsmitteln, etc. erforderlich. Unter dem Anwendungsbereich des KSchG können personen-, verhaltens- oder betriebsbedingte Gründe die Kündigung im Sinne des KSchG sozial rechtfertigen. Die betriebsbedingte Kündigung ist die mit Abstand am weitesten verbreitete Form der Kündigung. Diese ist dann begründet, wenn dem Arbeitgeber wegen dringender betrieblicher Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers entgegenstehen, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist. Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, muss er gemäß $ 102 V BetrVG vor Ausspruch der Kündigung angehört werden.
Es müssen also — neben formellen Voraussetzungen — insbesondere die vorgenannten fünf Voraussetzungen positiv erfüllt sein, damit die betriebsbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt ist.

1. Es müssen betriebliche Erfordernisse vorliegen, die den Bedarf an der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entfallen lassen. Dies kann neben den Schulbeispielen Betriebsstilllegung oder Teil- Betriebsstilllegung auch die Veränderung von Arbeitsabläufen oder der Arbeitsorganisation sein, die dazu führen, dass die konkrete Arbeit entweder entfällt oder durch andere Mitarbeiter mit erledigt wird. Man spricht dann von einer sogenannten Arbeitsverdichtung. Es bedarf hierzu der unternehmerischen Entscheidung, die vom Gericht vollständig auf ihr Vorliegen, nicht aber auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden kann. Dies ist auch letztlich richtig, da der Arbeitsrichter sich nicht in die Position des Firmenlenkers hineindenken soll und damit letztlich darüber entscheiden soll, ob er als Arbeitsrichter eine unternehmerische Entscheidung für wirtschaftlich richtig oder falsch hält. Das Vorliegen der unternehmerischen Entscheidung ist aber vollständig nachprüfbar, ebenso wie das Resultat dieser unternehmerischen Entscheidung, nämlich der Wegfall des Arbeitsbedarfs. Insoweit ist der allgemeine Hinweis auf einen Rationalisierungsbedarf oder einen Umsatzrückgang nicht ansatzweise ausreichend. Viele – auch große – Arbeitgeber begründen ihre Kündigung derart schwammig. Dies hat seinen Grund häufig nicht darin, dass ihnen die genaue Bezeichnung nicht möglich ist, sondern vielmehr seinen Grund in der vollständigen Darlegungslast des Arbeitgebers. Dieser muss insoweit sämtliche Zahlen gegebenenfalls BWAs oder Bilanzen auf den Tisch legen und die Veränderung zu den Vorjahren erläutern. Aus guten Gründen scheuen manche Arbeitgeber diesen Weg.

2. Die vorgenannten betrieblichen Erfordernisse müssen auch dringlich sein. Es ist denkbar, dass zwar eine unternehmerische Entscheidung zu einem Wegfall eines Teilbedarfs an Arbeitskräften führt, jedoch nicht dringlich ist. Dringlich ist eine Kündigung dann, wenn es keinen anderen freien Arbeitsplatz in diesem Betrieb oder in einem zu dem Unternehmen gehörenden Unternehmen gibt, auf dem der betroffene Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden könnte. Insoweit muss ein freier Arbeitsplatz vorliegen, eine Freikündigung eines besetzten Arbeitsplatzes ist nicht erforderlich (und wohl in der Regel auch nicht möglich). Der Arbeitsplatz muss natürlich vergleichbar sein, wobei hier eine Ausnahme besteht. Wenn nämlich zumutbare Umschulungsoder Fortbildungsmaßnahmen oder auch eine Weiterbildung des Arbeitnehmers eine Eignung für den freien Arbeitsplatz ermöglicht und der Arbeitnehmer mit diesen Maßnahmen einverstanden ist, so fehlt es ebenfalls am Merkmal der Dringlichkeit.

3. Die sogenannte Interessenabwägung hat zwischen dem Arbeitnehmerinteresse am Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses und dem Arbeitgeberinteresse an der Beendigung gerade dieses Arbeitsverhältnisses zu erfolgen. Diesem Merkmal kommt bei der betriebsbedingten Kündigung anders als bei der außerordentlichen oder der verhaltensbedingte Kündigung kein großes Gewicht zu. Wenn nämlich die zuvor genannten Voraussetzungen vorliegen, wird das Arbeitgeberinteresse an der Beendigung immer überwiegen.

4. Hier ist allerdings die Sozialauswahl zu beachten. Nach der gesetzlichen Regelung muss der Arbeitgeber bei vergleichbaren Mitarbeitern eine Sozialauswahl durchführen. Der sozial am wenigsten schutzwürdigste Mitarbeiter ist derjenige der die Kündigung erhält. Die soziale Schutzwürdigkeit wird an den Merkmalen Dauer der Betriebszugehörigkeit, Anzahl der Unterhaltsverpflichtungen, Lebensalter und Schwerbehinderung geprüft. Hier kann es im Einzelfall zu schwierigen Abgrenzungen kommen, zum Beispiel wenn ein Mitarbeiter zwar 20 Jahre im Betrieb ist aber über keine Unterhaltsverpflichtungen verfügt und andererseits ein vergleichbarer Mitarbeiter lediglich drei Jahre im Betrieb ist, aber fünf Kinder hat. Prozessual interessant ist, dass der Arbeitgeber bei einer entsprechenden Rüge des Rechtsanwalts des Arbeitnehmers vollumfänglich darlegungspflichtig für die sozialen Erwägungen ist. Andererseits gibt es auch Fälle, in denen eine Sozialauswahl überhaupt nicht durchgeführt werden muss, da keine horizontal vergleichbaren Arbeitnehmer im Betrieb existieren.

5. Letztlich muss der Arbeitgeber einen bestehenden Betriebsrat rechtzeitig und vollständig informieren, damit dieser sich ein vollständiges Bild von dem zu kündigen Kollegen und gegebenenfalls einen vergleichbaren Kollegen machen kann. Der Zustimmung des Betriebsrates bedarf es allerdings zur Wirksamkeit der Kündigung nicht. Widerspricht der Betriebsrat der Kündigung, besteht lediglich ein Anspruch des zu kündigen Arbeitnehmers auf eine Übersendung der Stellungnahme des Betriebsrates sowie auf eine Weiterbeschäftigung während des Kündigungsschutzprozesses. Bei der betriebsbedingten Kündigung sind also arbeitgeberseits vielfache Facetten zu beachten.
Anders herum ausgedrückt gibt es für den Arbeitnehmer viele „Einfallstore, um eine ausgesprochene Kündigung zu Fall zu bringen. In jedem Fall sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden. Besonders zu beachten ist, dass eine Kündigung nur innerhalb von drei Wochen nach Zugang des Kündigungsschreibens gerichtlich angegriffen werden kann. Nach Ablauf dieser Frist gilt diese Kündigung grundsätzlich als wirksam.

Rechtsanwalt Michael Field
Fachanwalt für Arbeitsrecht
Barklage Brickwedde Dahlmeier Roter
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